Markenverletzung und unlauterer Wettbewerb: Ein und dieselbe Handlung kann verschiedene Rechtsverletzungen darstellen – die französische Entscheidung „Facebook / Fuckbook“
- Marie-Avril Roux Steinkühler

- 7. Nov.
- 2 Min. Lesezeit

⚖️ Französischer Kassationsgerichtshof, Handelskammer, Urteil vom 26. März 2025, Nr. 23-13.589, im Bulletin officiel öffentlich bekannt gemacht
👉 Der französische Kassationsgerichtshof hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil seine bisherige Rechtsprechung weiterentwickelt:
„Eine identische tatsächliche Handlung kann verschiedene Tatbestände begründen, wenn sie Rechte unterschiedlicher Art verletzt.“
Das Gericht erkennt damit ausdrücklich an, dass ein einziges Verhalten mehrere deliktische Ansprüche auslösen kann, beispielsweise gleichzeitig wegen Markenverletzung, Verletzung des Unternehmenskennzeichens und der Domain.
💼 Meta Platforms Inc., Inhaberin der Unionsmarken „Facebook“ sowie des Unternehmenskennzeichens und der Domain facebook.com, ging gegen die schweizerische Gesellschaft Cargo Media AG vor, die das Portal fuckbook.com betrieb – eine Online-Dating-Plattform mit sexuellem Schwerpunkt.
Die Vorinstanz stellte fest:
⭐ die Bekanntheit der Marke Facebook,
🔠 eine visuelle, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit zwischen Facebook und Fuckbook,
🔁 Verwechslungsgefahr für ähnliche Dienstleistungen,
🧭 sowie eine eigenständige Beeinträchtigung des Unternehmenskennzeichens und der Domain.
Der Kassationsgerichtshof bestätigte diese Beurteilung. Die beanstandeten Handlungen stellen verschiedene unerlaubte Handlungen dar, da sie unterschiedliche Schutzrechte verletzt und eigenständige Schäden verursacht.
Bruch mit der bisherigen Linie
Bisher unterschied die französische Rechtsprechung streng zwischen der Verletzung eines ausschließlichen Rechts (Markenrecht) und dem Unlauterkeitsverstoß im Wettbewerbsrecht (Art. 1240 Code civil). Sie ließ einen parallelen Anspruch, resultierend aus dem unlauterem Wettbewerb, nur dann zu, wenn die Handlungen materiell verschieden waren.
📜 Seit dem berühmten „Bollé“-Urteil (Cass. Com., 12. Juni 2007, Nr. 05-17.349) galt:
Subsidiär: Wenn die Markenverletzung scheiterte, konnte auf unlauteren Wettbewerb erkannt werden, auch ohne materielle Unterschiede.
Kumulativ: Wenn die Markenverletzung bejaht wurde, musste die unlautere Handlung auf anderen Tatsachen beruhen.
Das Urteil vom 26. März 2025 löst diese Grenze nun weitgehend auf: Ein und dieselbe Handlung kann mehrere Rechtsverletzungen darstellen – solange verschiedene Arten von Rechten betroffen sind.
Grenzen der Kumulierung
💡 Die Richter betonen jedoch das Prinzip der vollständigen, aber einmaligen Entschädigung: Ein identischer Schaden darf nicht doppelt ausgeglichen werden.
Markenrecht schützt das ausschließliche Kennzeichenrecht.
Unlauterer Wettbewerb schützt das Unternehmenskennzeichen oder die Domain als eigenständige wirtschaftliche Identität.
👉 Damit öffnet sich die Rechtsprechung einer pragmatischeren Sichtweise, die besser der Realität moderner Markenauftritte entspricht – in denen Name, Marke und Domain oft ineinandergreifen.
Vergleich mit dem deutschen Recht
Im deutschen Recht ist die parallele Geltendmachung von Markenverletzung (§§ 14 ff. MarkenG) und unlauterem Wettbewerb (§§ 3 ff. UWG) ebenfalls möglich, sofern unterschiedliche Schutzgüter betroffen sind.Auch hier wird eine doppelte Entschädigung ausgeschlossen: Ein Verhalten kann mehrere Tatbestände erfüllen, doch der Schaden wird nur einmal ersetzt.
Der zentrale Unterschied:
Das deutsche Recht betont die Einheit des Lebenssachverhalts und prüft, ob die Tatbestände in Konkurrenz stehen (Idealkonkurrenz).
Das französische Urteil dagegen erlaubt ausdrücklich, ein und dieselbe Handlung als verschiedene unerlaubte Handlungen zu werten, wenn sie unterschiedliche Rechte berührt.
Damit zeigt sich Frankreich offener für eine parallele rechtliche Qualifikation, während Deutschland stärker auf die wirtschaftliche Einheit des Schadens abstellt. Das Urteil „Facebook / Fuckbook“ markiert daher weniger eine Angleichung als vielmehr eine Akzentverschiebung zugunsten einer flexibleren, opferschützenden Auslegung des französischen Wirtschaftsrecht.
Bild : Pixabay




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